Keine Bindungswirkung der Entscheidung der Ausländerbehörde über das Freizügigkeitsrecht für die Kindergeldfestsetzung

Kindergeld kann auch für solche Zeiträume gewährt werden, für die die Ausländerbehörde den Verlust des Freizügigkeitsrechts bestandskräftig festgestellt hat. Dies hat das Finanzgericht Münster bereits mit Urteil vom 28. Februar 2023 entschieden, das im Dezember 2023 veröffentlicht wurde.

Die Klägerin ist rumänische Staatsangehörige und lebt seit April 2019 in Deutschland. Hier wurden auch ihre beiden Kinder geboren, für die die Familienkasse zunächst Kindergeld festsetzte. Ab November 2021 war die Klägerin als Arbeitnehmerin beschäftigt, wobei sie in den Monaten November und Dezember 2021 einen deutlich geringeren Lohn als in den folgenden Monaten erhielt, weil sie sich zeitweise als Ungeimpfte in unbezahlter Quarantäne befand.

Die Ausländerbehörde stellte im November 2021 den Verlust des Freizügigkeitsrechts der Klägerin fest, da sie sich weniger als fünf Jahre in Deutschland aufhalte und keine Erwerbstätigkeit ausübe. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Die Familienkasse hob daraufhin die Kindergeldfestsetzung ab Dezember 2021 gegenüber der Klägerin auf.

Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Nachdem die Ausländerbehörde den Bescheid über den Verlust des Freizügigkeitsrechts ab April 2022 wieder aufgehoben hatte, gewährte die Familienkasse ihr ab April 2022 wieder Kindergeld. Für die übrigen Zeiträume (November 2021 bis März 2022) wies sie den Einspruch zurück, da insoweit der Verlust der Freizügigkeit festgestellt worden sei und auch die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 EStG nicht vorgelegen hätten.

Der 15. Senat des Finanzgerichts Münster hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Die Klägerin habe im Streitzeitraum einen inländischen Wohnsitz unterhalten, in dem auch ihre minderjährigen Kinder gelebt hätten.

Die Regelung in § 62 Abs. 1a Satz 3 EStG, wonach der Anspruch auf Kindergeld entfällt, wenn kein Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 2 oder Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU vorliegt, stehe nicht entgegen. Tatsächlich sei die Klägerin nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 dieses Gesetzes freizügigkeitsberechtigt gewesen, da sie sich als Arbeitnehmerin in Deutschland habe aufhalten wollen. Dies folge aus ihrer tatsächlichen Beschäftigung als Arbeitnehmerin. Dies gelte unabhängig von der geringen Stundenzahl in den Monaten November und Dezember 2021, da die Klägerin lediglich aufgrund der Quarantäne zeitweise keiner Beschäftigung habe nachgehen können.

Die bestandskräftige Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts durch die Ausländerbehörde stehe dem Kindergeldanspruch ebenfalls nicht entgegen, da die Familienkasse den Anspruch nach § 62 Abs. 1 Satz 4 EStG in eigener Zuständigkeit zu prüfen habe. Auch wenn der Gesetzgeber mit der Einführung dieser Regelung den Familienkassen die Möglichkeit habe einräumen wollen, die Zahlung von Kindergeld zu verweigern, ohne eine vorherige Entscheidung der Ausländerbehörde abwarten zu müssen, lasse sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen, dass die Entscheidung der Ausländerbehörde für die Familienkasse stets bindend sei.

Die vom Bundesfinanzhof nunmehr zugelassene Revision ist dort unter dem Az. III R 36/23 anhängig.

FG Münster, Mitteilung vom 15.12.2023 zum Urteil 15 K 1527/22 Kg vom 28.02.2023 (nrkr - BFH-Az.: III R 36/23)

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