Auslegung des Testaments

Nicht selten ist es so, dass Anordnungen des Erblassers in seinem eigenhändigen Testament nicht eindeutig sind. In diesem Fall, wenn also der letzte Wille des Erblassers nicht zweifelsfrei oder unvollständig zum Ausdruck kommt, muss das Testament ausgelegt werden. Ziel ist dabei die Klärung der Frage, was der Erblasser mit seinen Worten zum Ausdruck bringen wollte.

Grundsätze der Auslegung

Bei der Auslegung eines Testaments ist in erster Linie der tatsächliche Wille des Erblassers zu ermitteln und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Maßgebend ist also, was der Erblasser mit seinen Worten wirklich sagen wollte.

Ist der Inhalt eines Testaments derart unbestimmt, dass verschiedene Auslegungen möglich sind, so bestimmt das Gesetz, dass im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen ist, in welcher die Verfügung Erfolg haben kann.

Beispiel: Setzt der Erblasser in seinem Testament seine »Kinder« als Erben ein, so ist grundsätzlich davon auszugehen, dass er damit auch ein Adoptivkind als Erbe einsetzen will, wenn nicht im Einzelfall ein gegenteiliger Wille des Erblassers festzustellen ist.

Für den Fall, dass sich der Erblasser in seinem Testament bei der Auswahl der Begünstigten nicht klar ausgedrückt hat, enthält das Gesetz einige Auslegungsregeln.

Mehrdeutige Bezeichnung

Hat der Erblasser den Bedachten in einer Weise bezeichnet, die auf mehrere Personen passt, und lässt sich nicht ermitteln, wer von ihnen bedacht werden sollte, so gelten sie als zu gleichen Teilen bedacht. Ist allerdings die gewählte Bezeichnung der möglichen Bedachten so ungenau und unbestimmt, dass sich die mehreren in Betracht kommenden Personen nicht ermitteln lassen, dann ist die Zuwendung unwirksam.

Beispiel: Lukas Schreiner hat in seinem Testament dem »Tierschutzverein in Mannheim« ein Vermächtnis in Höhe von 10.000 Euro zugewendet. Gibt es allerdings in Mannheim zwei Tierschutzvereine und kann nicht ermittelt werden, welchem Tierschutzverein der Erblasser das Vermächtnis zuwenden wollte, so erhält jeder Tierschutzverein 5.000 Euro.

»Abkömmlinge« des Erblassers

Hat der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Nachkommen des verstorbenen Kindes an dessen Stelle treten. Hat also beispielsweise der Erblasser seine Tochter Maike in seinem Testament namentlich als Erbin bezeichnet und stirbt diese nach der Errichtung des Testaments, aber vor dem Erblasser, so treten ihre Kinder an ihre Stelle.

»Gesetzliche Erben« und »Verwandte« des Erblassers

Hat der Erblasser seine »gesetzlichen Er­ben« oder seine »Verwandten« oder »nächsten Verwandten« ohne nähere Bezeichnung bedacht, so sind diejenigen, welche zur Zeit des Erbfalls seine Erben kraft Gesetzes sein würden, wenn kein Testament vorliegt, nach dem Verhältnis ihrer gesetzlichen Erbteile bedacht.

Beispiel: Das Testament lautet: »Meine Erben sollen meine Verwandten sein«. In diesem Fall erben die Verwandten, die zum Zeitpunkt des Erbfalls gesetzliche Erben des Erblassers sind. Der überlebende Ehegatte wäre allerdings nicht Erbe, weil Ehegatten nicht miteinander verwandt sind. In diesem Fall kann dann der Ehegatte nur den Pflichtteil geltend machen.

Gesetzliche Grundlagen: §§ 2066 ff. BGB

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